Dantes Göttliche Komödie: 4. Das himmlische Paradies

Quelle: Distrikt Deutschland

Der Himmel ist bei Dante gemäß dem damaligen Weltbild in neun Sphären gegliedert, die als konzen-trische Kugelschalen die Erde umgeben. Die ersten sieben Sphären entsprechen den damals bekannten Planeten, wobei Mond und Sonne ebenfalls als Planeten (bzw. Wandelsterne) gezählt werden. Es sind: Mondhimmel, Merkurhimmel, Venushimmel, Sonnenhimmel, Marshimmel, Jupiterhimmel und Saturnhimmel. Die achte Sphäre ist der Himmel der Fixsterne und die neunte der Kristallhimmel.

Jenseits davon liegt das Empyreum, der „Feuer-“ oder „Lichthimmel“. Das Empyreum ist der eigentliche Sitz Gottes und der Ort der Seligen. Diese erscheinen Dante allerdings je nach ihrem Rang und ihrer Eigenart in den niederen Himmelssphären.

Die ersten drei Himmelssphären

Da der Schatten, den die Erde wirft, in der Sphäre der Venus endet,[1] bilden die ersten drei Himmelssphären gewissermaßen den unteren Himmel. Die Sphäre des Mondes ist wegen der Mondflecken der Ort der Erscheinung solcher Seelen, die auf Erden ihre Gelübde nicht erfüllt haben. Bei ihnen ist Helles und Dunkles gemischt. Dante, der nun von Beatrice geführt wird, begegnet hier Piccarda Donati, die ihm in ihren Jugendjahren bekannt war. Obwohl sie nur einen der niedrigsten Plätze im Himmel hat, ist ihre Schönheit so gesteigert, dass Dante sie nicht gleich erkennt. Sie wurde von ihrem Bruder aus dem Kloster der Klarissen gerissen und an einen seiner politischen Freunde verheiratet. Obwohl ihr Austritt unfreiwillig war, wird ihr angelastet, dass sie ihre Ehe akzeptierte und nicht bei der ersten Gelegenheit ins Kloster zurück flüchtete.

Dante fragt sie, ob sie und die anderen Seelen in diesem Kreis sich nicht wünschten, an einem höheren Ort zu sein. Piccarda antwortet, dass dies nicht der Fall sei, da sie ganz mit dem göttlichen Willen eins seien und darin ihr Friede und ihre Seligkeit bestehe:

Bruder, unseren Willen befriedet die Macht der Liebe,

die uns nur das wollen lässt, was wir haben,

und nicht nach anderem Durst erweckt.

Wenn wir begehrten, höher oben zu sein,

stünde unser Begehren im Missklang mit dem Willen dessen,

der uns hierhin weist.[2]

Im Merkurhimmel trifft Dante den byzantinischen Kaiser Justinian (482-565; Kaiser ab 527), der ein berühmtes Gesetzeswerk herausgab und die Hagia Sophia erbaute. Auf die Frage, warum er in dieser Himmelssphäre sei, antwortet Justinian, der Merkurhimmel sei die Zone der tätigen Seelen, die nach Ruhm und Ehre strebten. Daraus hätten sich jedoch manche Gefährdungen und Irrwege ergeben, so dass die Liebe sie nicht so lebhaft emporzog. „Doch in der Übereinstimmung unseres Lohnes mit den Verdiensten liegt ein Teil unserer Glückseligkeit.“ Er sagt auch: „Verschiedene Stimmen erzeugen liebliche Klänge; so bringen verschiedene Stufen in unserem Leben einen lieblichen Wohlklang unter diesen Kreisen hervor.“[3] Wie es in der Natur verschiedenartige Pflanzen und Tiere gibt und diese Mannigfaltigkeit die Natur schön macht, so gehört die Existenz großer und kleinerer Heiliger zur Schönheit der Welt der Seligen.

In der Sphäre der Venus erscheinen Seelen, bei denen sich irdische und himmlische Liebe verband. Eine von ihnen ist die Dirne Rahab, die zwei Kundschafter Israels in ihrem Haus versteckte, weil sie an den Sieg Israels glaubte. Sie und ihre Familie wurden deshalb bei der Eroberung Jerichos verschont (vgl. Jos 2, 1 ff.). Sie wurde zur Stammmutter Christi (Mt 1, 5), in Hebr 11, 31 wird ihr Glaube gerühmt und in Jak 2, 25 ihr Werk. Von dieser Himmelssphäre an sind die Seligen in einen so strahlenden Lichtglanz gehüllt, dass Dante ihre Gestalt nicht mehr erkennen kann.

Die Sphären der großen Heiligen: Sonne, Mars, Jupiter und Saturn

Die Sphäre der Sonne ist das Reich der Weisheit und wird durch die großen Theologen repräsentiert. Sie sind in zwei Kreisen zu je zwölf Personen versammelt. Im ersten Kreis ist es Thomas von Aquin, der Dante die anderen vorstellt. Die zweite Gruppe wird vom heiligen Bonaventura vorgestellt. Dazwischen stehen gesondert die beiden Ordensgründer Dominikus und Franziskus. Der Dominikaner Thomas lobt den heiligen Franziskus und kritisiert anschließend den Zustand seines eigenen Ordens, der teilweise in unnütze Spekulationen über Spitzfindigkeiten abgeglitten sei. Entsprechend lobt danach der Franziskaner Bonaventura den heiligen Dominikus und schließt eine kritische Betrachtung des eigenen Ordens an, der damals von Spaltungen bedroht war, da einige das Ideal des Franziskus abmindern, andere es noch verschärfen wollten. Wahre Weisheit lobt also die anderen und kritisiert die eigenen Fehler. Während die beiden Orden auf Erden oft Zwistigkeiten miteinander hatten, ist es im Himmel genau umgekehrt!

Im rötlichen Licht der Marssphäre erscheinen die Kämpfer und Märtyrer des christlichen Glaubens im Zeichen des Kreuzes, das sie selbst bilden. Vom rechten Arm des Kreuzes löst sich ein Lichtfunke und gibt sich Dante als dessen Urahn Cacciaguida zu erkennen. Er habe auf dem zweiten Kreuzzug den Tod erlitten. Er weist seinen Ururenkel auf weitere Gotteskämpfer hin, deren Licht in den Armen des Kreuzes aufleuchtet, wenn er sie nennt. Dante sieht zuerst das Licht Josuas, der das Volk Israel nach der Wüstenwanderung ins Gelobte Land einführte. Es folgen Judas Makkabäus, der Kämpfer für das mosaische Gesetz, Karl der Große, Gottfried von Bouillon, der auf dem ersten Kreuzzug Jerusalem erober-te, und andere.

In der Sphäre des Jupiter bilden die Lichter der Seligen zunächst verschiedene Buchstaben, die die Worte bilden: „DILIGITE IUSTITIAM QUI JUDICATIS TERRAM – Liebt die Gerechtigkeit, die ihr die Erde richtet“ (Weish 1, 1). Es ist die Sphäre der heiligen Könige und Fürsten. Schließlich bilden die Lichter den Kopf und Hals eines Adlers. Dante begegnet hier unter anderem König David und Kaiser Konstantin, der als erster römischer Kaiser das Christentum offiziell anerkannte.

Saturn war in der Mythologie der Vater des Jupiter. Er herrschte im Goldenen Zeitalter der Erde, in dem es Friede und Muße gab. Bei Dante steht der Saturnhimmel darum im Zeichen der Kontemplation, des beschaulichen Mönchtums. Hier sieht Dante eine goldene Leiter emporgerichtet, deren Ende er nicht mehr sehen kann. Sie reicht bis ins Empyreum hinauf und markiert damit den Eintritt in die höchsten Himmelssphären. Hier begegnet Dante dem Kamaldulensermönch Petrus Damiani. Dieser wurde trotz seines Sträubens zum Kardinalbischof von Ostia ernannt und bereiste als Delegat der Kurie Europa, um die Klosterzucht und den priesterlichen Geist zu heben. Die Beziehung zur Himmelsleiter ergibt sich durch die Vision des Gründers der Kamaldulenser, des heiligen Romuald, in der er die Mönche seines Ordens auf einer Leiter in den Himmel steigen sah. Auch den heiligen Benedikt trifft Dante in dieser Sphäre.

Der Fixstern- und Kristallhimmel

Über die Himmelsleiter steigen Beatrice und Dante dann in den Fixsternhimmel auf. Hier erlebt Dante einen Triumphzug Christi inmitten von Scharen der Engel und Seligen und die Krönung Mariens. Anschließend wird er von drei Aposteln über die göttlichen Tugenden geprüft, und zwar von Petrus über den Glauben, von Jakobus über die Hoffnung und von Johannes über die Liebe. Dann darf er in den Kristallhimmel aufsteigen.

Der Kristallhimmel wurde gemäß dem antiken und mittelalterlichen Weltbild direkt von Gott, dem unbewegten Beweger, in Bewegung gesetzt und leitete diese Bewegung in die verschiedenen Sphären weiter. Bei Dante ist er die Sphäre der Engel. Die neun Chöre der Engel erscheinen als neun Feuerringe von unterschiedlicher Schnelligkeit und Leuchtkraft. Dante wird erklärt, dass die schlechten Engel sich gleich nach ihrer Erschaffung aus Hoffart gegen Gott auflehnten und in die Tiefe gestürzt wurden, wohingegen die guten Engel sich durch Demut ausgezeichnet hätten.

Das Empyreum

Den Aufstieg ins Empyreum, den Flammen- oder Lichthimmel, beschreibt Dante mit dem Bild des Sonnenaufgangs. Wie hier die Sterne verblassen und vor dem einen Licht der Sonne verlöschen, so verschwindet hier die Pracht der Lichter der Engel. Beatrice erklärt, dieser Himmel sei reines Licht, „geistiges Licht, erfüllt von Liebe, Liebe zu dem wahren Guten, erfüllt von Freude, Freude, die jede Wonne übersteigt“.[4]

Nachdem Dantes Augen eine neue Stärkung erhalten haben, ist er in der Lage, die Himmelsrose, den eigentlichen Sitz der Seligen zu sehen. Diese Himmelsrose gleicht einem Amphitheater, in dem die Himmelsbewohner in weißen Gewändern auf unterschiedlichen Rängen sitzen. Einige Plätze sind noch frei, werden aber bis zum Ende der Welt noch gefüllt werden.

Als Dante an Beatrice eine Frage richten will, stellt er fest, dass sie nicht mehr da ist. Dafür steht eine gütige Greisengestalt neben ihm, die ihm mitteilt, dass Beatrice wieder ihren Platz in der Himmelsrose eingenommen hat. Es ist der heilige Bernhard von Clairvaux, der nun die Aufgabe übernimmt, Dante bis zur Schau Gottes zu führen. Er fordert Dante auf, den Blick auf den Ort zu richten, wo die Königin sitzt, „der dieses Reich untertan und ergeben ist.“[5] Dante sieht nun am äußersten Rand der Himmelsrose eine Stelle, die alles andere überstrahlt. Hier thront – von mehr als tausend frohlockenden Engeln umgeben – Maria. Ihr Lächeln steigert die Glückseligkeit aller anderen Seligen.

Bernhard richtet nun ein Gebet an Maria, mit dem Dante sich innig vereinigen soll. Zuerst preist Bernhard die Größe Marias: Sie ist Jungfrau und Mutter, die Demütigste und (deshalb) Erhabenste. Sie ist für die Sterblichen „der Hoffnung ewiger Brunnquell“.

Herrin, du bist so groß und vermagst so viel:

wer Gnade will und dich nicht anruft,

dessen Verlangen will ohne Flügel fliegen.

Deine Güte kommt nicht nur dem zu Hilfe,

der darum bittet, sondern oft eilt sie freiwillig

der Bitte voraus.[6]

Darauf bittet Bernhard für Dante: Dieser, der nun das Schicksal der Seelen von der Hölle bis zum Himmel gesehen hat, erflehe von Maria, die kann, was sie will (also Anteil an der Allmacht Gottes hat), die Kraft, seine Augen auf das letzte Heil richten zu können.

Maria zeigt durch ihren Blick, dass ihr diese Bitte willkommen ist, und richtet dann ihre Augen auf das ewige Licht. Bernhard bedeutet Dante, dies ebenfalls zu tun. Dantes Schau dringt nun immer mehr in das göttliche Licht ein, aber die Sprache kann es nicht ausdrücken und das Gedächtnis nicht behalten. Im Wesensgrund des göttlichen Lichts erscheinen ihm drei Ringe in drei Farben und von einem Umfang: Der eine scheint vom anderen widergespiegelt, und der dritte scheint wie Feuer, das vom einen wie vom anderen in gleichem Maß sich ergießt – eine etwas dürftige Beschreibung der heiligsten Dreifaltigkeit, aber diese kann eben in menschlichen Worten nicht beschrieben werden.

In dem widergespiegelten Kreis wird dann das Bild eines Menschen erkennbar: ein Hinweis auf die Menschwerdung Gottes. Ein Blitzstrahl in Dantes Geist bringt ihm die volle Erkenntnis, und die Liebe trägt sein Sehnen und Wollen dahin.

Anmerkungen

[1] 9. Gesang, Vers118.

[2] 3. Gesang, Vers 70-75.

[3] 6. Gesang, Vers 118-120; 124-126.

[4] 30. Gesang, Vers 40-42.

[5] 31. Gesang, Vers 117.

[6] 33. Gesang, Vers 13-18.